Strom aus der Mühle

Schüler restaurieren historische Technik der Mühle Bohle.
In der Mühle Bohle in Wersen nahe Osnabrück konnte man am Deutschen Mühlentag 2010 bestaunen, was eine sogenannte„ denkmal aktiv“-Gruppe in ihrem Technik-Kurs geleistet hat. Gemeinsam mit dem Lehrer Wilhelm Schröder haben zehn Schüler und eine Schülerin der 10. Klasse der Realschule Westerkappein die historische Anlage zur Stromerzeugung in der Mühle restauriert und demonstrierten sie an diesem Tag voller Stolz den technikinteressierten Besuchern. 
Das Schulprogramm der Deutschen Stiftung Denkmalschutz „denkmal aktiv“ wurde 2002 unter der Schirmherrschaft der Deutschen UNESCO-Kommiss ion ins Leben gerufen. Das Programm ist eine Initiative zur kulturellen Bewusstseinsbildung von Kindern und Jugendlichen. Schulen, die an „denkmal aktiv“ teilnehmen, führen Projekte zu einem Kulturdenkmal in ihrer Region durch. Dabei werden sie mit rund 2000 Euro je Schule und Förderphase unterstützt. Seit dem Start haben rund 550 Schulen aus ganz Deutschland mitgemacht.
Es war ein langer Weg seit dem Sommer 2009, als die Schüler die Steuerzentrale der Anlage, eine Marmortafel mit Schaltern, Messgeräten, Sicherungen und anderen Details in ihre Schule geholt hatten. Kurz zuvor hatten sie die Zusage der Förderung erhalten, sodass sie zum Anfang des 10. Schuljahres mit der für sie aufregenden Arbeit beg innen konnten. Denn viel Feinarbeit stand bevor: Nach der Demontage der einzelnen Teile und der Reinigung der Platte musste jedes Element penibel von Schmutz, Rost und Patina befreit und Fehlendes ergänzt werden. Let zteres erforderte meist längere Überlegungen und Erfindungsreichtum, denn moderne Materialien konnten nicht zum Einsatz kommen, schließlich hatte man sich für eine echt e denkmalpflegerische Vorgehensweise entschieden. Deshalb war es für die Schüler auch wichtig zu erkunden, welchem technischen Zweck die einzelnen Teile gedient und wie sie im Detailfunktioniert haben. Der

Generator, produziert zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der Firma Feiten & Guilleaume, Lahmeyerwerke in Frankfurt am Main, hatte jahrzehntelang unbeachtet in einer Ecke der Mühle gelegen. Ende September 2009 wollte man ihn zur Firma Buck nach Tecklenburg-Leeden bringen, um ihn dort wieder funktionstüchtig machen zu lassen. Allerdings hatte man wohl sein Gewicht unterschätzt, denn auch mit fünf Paar kräftigen Armen und allerlei Hilfsmitteln gelang es nicht, ihn aus der Mühle zu befördern. Motorkraft musste schließlich helfen. In der Firma Buck wurde er dann generalüberholt, leichtere Teile wie die Bürstenhalterung übernahmen wieder die Realschüler.

Das Ziel war stets, die Funktionsweise der historischen regenerativen Erzeugung von Strom am Deutschen Mühlentag 2010 vorzustellen. Und es gelang: Alles war pünktlich zusammengesetzt. Der Generator, jetzt allerdings nicht durch Wasserkraft, sondern über die Transmissionswellen durch einen Motor angetrieben, arbeitet. Und auch die Schalttafel leistet ihren Dienst , wie es die Schüler immer wieder demonstrierten: Klappt man den Schalter nach oben, leuchtet eine Glühlampe auf. Zur Sicherheit wird aber jetzt nur eine Spannung von zwölf Volt erzeugt, sodass von den Schaltelementen, die auf der Tafel völlig frei liegen, keine Gefahr ausgeht.

Ursprünglich wurde ab etwa 1920 in der Wassermühle Gleichstrom von 110 Volt erzeugt , mit dem nicht nur die Mühle, sondern auch einige Gehöfte in der Umgebung versorgt wurden.

Erst 1947 schloss man den Mühlengrund an das öffentliche Netz an. Die Marmortafel erfüllte aber auch danach noch einige Jahre lang ihren Zweck bei der Verteilung des Stroms, allerdings nun mit 220 Volt Wechselstrom. In der Mühle wurde noch bis 1960 Korn zu Mehl gemahlen, bis 1975 war die angegliederte Sägemühle in Betrieb. 1980 mussten die Wasserrechte leider aufgegeben werden.

Mit hilfe des Heimatvereins Wersen begann im Jahre 1992 die Restaurierung der im gleichen Jahr unter Denkmalschutz gestellten Mühle. Das Gebäude ist inzwischen in einem guten Zustand, alle historischen Geräte sind noch vorhanden und funktionstüchtig. Bisher ist aber der Antrieb durch das Wasserrad im Flüsschen Düte leider noch nicht wieder möglich.

Am jährlichen Mühlentag informieren die Beteiligten die vielen Besucher über die Fortschritte. Die Realschüler hatten ihr Projekt bereits im März bei einem bundesweiten Treffen der “ denkmal aktiv”-Teilnehmer im niederrheinischen Xanten vorgestellt . Großes Interesse war ihnen dabei sicher, sind sie doch eine der wenigen Gruppen, bei denen die Schüler ein Projekt nicht nur überwiegend theoretisch behandeln, sondern selbst bei der Restaurierung Hand anlegen konnten. Am Mühlentag hatten sie dann auch Gelegenheit, den Erfolg einem großen Publikum praktisch vorzuführen – ein wichtiger Lohn für eine nicht immer ganz einfache Arbeit in den 3S Doppelstunden ihres Technik-Kurses. Dankbarkeit und Anerkennung zollten ihnen und Lehrer Wilhelm Schröder daher auch die Mühlenbesitzer Renate und Werner Schwentker, der Heimatverein und das Mühlenteam – schließlich hat die Instandsetzung der historischen Stromerzeugung auch einen wichtigen Impuls für die Sanierung des unteren Geschosses der Mühle gegeben.

(Dr. Dorothee Reimann, Deutsche Stiftung Denkmalschutz)

Historisch. Informativ. Aktiv.